Abbildung: Zytomorphologische Untersuchung.
Bilder von gesundem Knochenmark (links) und Knochenmark mit vielen Leukämiezellen (Zellen ohne erkennbare innere Strukturen, rechts).
Labordiagnostik
Mit Hilfe labordiagnostischer Methoden lassen sich Art und Unterform von Leukämien bestimmen. Hierzu wird in der Regel das Knochenmark eines Patienten untersucht. Da sich die Unterformen der verschiedenen Erkrankungen deutlich in ihrem Krankheitsverlauf, der Prognose und dem Ansprechen auf einzelne Therapien unterscheiden, ist die eingehende Analyse der Zellen des Knochenmarks entscheidend, um einen geeigneten Plan für die Behandlung zu entwickeln.
Zytomorphologie und Zytochemie
Bei der Zytomorphologie wird das gewonnene Knochenmark auf Glasplättchen ausgestrichen, mit speziellen Farbstoffen angefärbt und unter dem Mikroskop im Hinblick auf Aussehen und Anzahl der Knochenmarkzellen begutachtet. Da die roten und blauen Farbstoffe von den verschiedenen Zellarten unterschiedlich gut festgehalten werden, können mit dieser Methode die einzelnen Zellarten des Knochenmarks auseinandergehalten werden.
Im Gegensatz dazu unterscheidet die Zytochemie Zellarten anhand ihrer typischen Wirkung auf bestimmte Chemikalien. Nur wenn besondere Eiweiße (Enzyme) in den Zellen vorkommen, können diese eine Chemikalie in einen bunten Farbstoff umwandeln. Da die Eiweiße charakteristisch für einen oder wenige Zelltypen sind, kann aus der chemischen Reaktion abgeleitet werden, um welche Zellen es sich handelt.
Ein erfahrener Arzt kann bereits mit Hilfe dieser einfachen Methoden eine Leukämie diagnostizieren und sogar die Unterform der Erkrankung bestimmen, wenn sich die Leukämiezellen der einzelnen Unterformen anhand ihres Aussehens deutlich unterscheiden. Dies trifft zum Beispiel auf die AML zu.

Immunphänotypisierung
Alle Zellen tragen auf ihrer Zelloberfläche verschiedene charakteristische Eiweißstrukturen. Diese Oberflächenmarker kommen in der jeweiligen Kombination nur bei einer ganz bestimmten Zellsorte vor. Mit Hilfe der Immunphänotypisierung können Zellen anhand ihrer Ausstattung mit den verschiedenen Markern unterschieden werden.

Dazu werden die Zellen des Knochenmarks im Reagenzglas mit Antikörpern gemischt. Antikörper sind ebenfalls Eiweiße und Teil des Immunsystems. Sie helfen im Körper beim Auffinden von Krankheitserregern, indem sie sich an den Erregern festhalten und so für die Zellen der körpereigenen Abwehr kenntlich machen. Für die Immunphänotypisierung werden verschiedene Antikörper für die verschiedenen Oberflächenmarker künstlich hergestellt und jede Sorte von Antikörpern mit einem anderen Farbstoff verbunden.

Wenn im Reagenzglas Knochenmarkzellen und Antikörper zusammentreffen, erkennen die Antikörper "ihren" Oberflächenmarker und halten sich daran fest. Dadurch werden die Zellen automatisch mit den jeweiligen Farbstoffen markiert.
In einer Maschine (FACS-Gerät) kann im Anschluss die Kombination der Oberflächenmarker anhand der unterschiedlichen Farben auf der Zelloberfläche sichtbar gemacht werden. So ist es möglich, den Anteil jeder einzelnen Zellsorte im Knochenmark zu bestimmen.

Da diese Methode wesentlich empfindlicher als die Zytomorphologie oder die Zytochemie ist, können nicht nur die einzelnen Zellsorten analysiert, sondern auch die Entwicklungsstufe der Leukämiezellen bestimmt werden. Somit ist es z.B. bei einer ALL möglich, die Unterform der Erkrankung zu diagnostizieren, obwohl sich die Unterformen anhand ihrer Morphologie nicht unterscheiden lassen.
Zytogenetik
Ursache jeder Leukämie sind genetische Mutationen, also Veränderungen des Erbguts. Mutationen, die die Struktur oder die Anzahl der Chromosomen betreffen, können mit Hilfe der Zytogenetik unter dem Mikroskop identifiziert werden.
Abbildung: Chromosomenanalyse.
Deutlich zu erkennen sind die schwarzen Streifen auf jedem Chromosom. Sie bilden das Bandenmuster. Die Chromosomen 1-22 liegen natürlicherweise doppelt in den Zellen vor. Männer besitzen zudem ein X- und ein Y-Chromosom, Frauen zwei X-Chromosomen.
Chromosomen sind die sichtbaren Träger der Erbinformationen (Gene) im Zellkern. In Leukämiezellen findet man häufig Chromosomveränderungen, die man als Translokationen bezeichnet. Dabei bricht von einem Chromosom ein Stück ab und verbinden sich mit einem anderen Chromosom. Neben der Translokation treten aber auch Deletionen (Verlust von Chromosomabschnitten) oder Inversionen (Drehung eines Chromosomenabschnitts) auf. Es können zudem ganze Chromosomen fehlen oder mehrfach vorliegen.
Größere Chromosomenveränderungen können mittels Chromosomenanalyse sichtbar gemacht werden. Dazu werden Chromosomen aus Knochenmarkszellen entnommen, auf Glasplättchen fixiert und gefärbt. Die Farbe wird innerhalb eines Chromosoms von unterschiedlichen Abschnitten unterschiedlich gut aufgenommen. Dadurch entstehen charakteristische Streifen auf den Chromosomen, sogenannte Bandenmuster. Durch Vergleich der Bandenmuster von Chromosomen aus Leukämiezellen mit den Bandenmustern von Chromosomen aus gesunden Zellen können Veränderungen identifiziert werden.
Abbildung: Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung.
FISH-Analyse der Chromosomen eines AML-Patienten mit vielen verschiedenen Veränderungen, zum Beispiel Translokation zwischen den Chromosomen 4 und 20 bzw. Chromosom 9 und 19 und Verlust des zweiten Chromosom 7, Chromosom 8 liegt dreimal vor.
Um kleinere Chromosomenveränderungen nachweisen zu können, kommt die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung, kurz FISH, zum Einsatz. Diese Methode kann an ganzen Zellen oder bloßen Chromosomen durchgeführt werden. Sie beruht darauf, dass unser Erbgut aus einer einzigartigen Abfolge von immer wiederkehrenden winzigen Einheiten besteht. Da diese Abfolge bekannt ist, kann mit Hilfe sogenannter Sonden jeder beliebige Bereich des Erbguts markiert werden.
Sonden erkennen ähnlich wie Antikörper ganz bestimmte, kurze Bereiche der Abfolge innerhalb des Erbguts und halten sich daran fest. Da jede einzelne Sonde mit einem Farbstoff verbunden ist, werden die Chromosombereiche, die von der Sonde festgehalten werden, bunt eingefärbt.
Wenn beispielsweise alle Sonden, die verschiedene Bereiche auf Chromosom 9 erkennen, mit einem blauen Farbstoff verbunden sind, und alle Sonden, die verschiedene Bereiche auf Chromosom 19 erkennen, mit einem roten Farbstoff verbunden sind, so erscheinen die beiden Chromosomen unter dem Mikroskop blau bzw. rot. Bei einer Translokation zwischen den beiden Chromosomen wird ein Bereich auf dem ansonsten blauen Chromosom 9 in roter Farbe erscheinen, während das rote Chromosom 19 einen blauen Abschnitt ausweist.
Molekuargenetik
Mit den bisher beschriebenen Techniken können Veränderungen der Leukämiezellen nachgewiesen werden, die so groß sind, dass sie unter dem Mikroskop sichtbar sind. Mutationen in den Erbinformationen, den Genen, sind aber so winzig, dass man die Methoden der Molekulargenetik benötigt, um sie nachzuweisen.
Gene enthalten den "Bauplan" für Eiweiße. Somit können Genveränderungen dazu führen, dass Eiweiße in den Zellen des Knochenmarks fehlerhaft hergestellt werden. Um mögliche Veränderungen in den Erbinformationen zu finden, werden die Erbinformationen aus den Zellen entnommen und dann vervielfältigt, um ausreichend Material zur Fehlersuche zu erhalten. Die Vervielfältigung erfolgt, indem zunächst von dem vorhandenen Erbgut eine Kopie erstellt wird. Im zweiten Schritt werden sowohl das Ausgangsmaterial als auch die erste Kopie verdoppelt, so dass man vier Ausfertigungen der Erbinformationen erhält. Durch die jeweilige Verdopplung aller Kopien erhält man schnell genügend Untersuchungsmaterial. Am Ende werden die "Baupläne" aus leukämischen Zellen und gesunden Zellen am Computer verglichen, um Abweichungen zu festzustellen. Bei Patienten, bei denen eine Leukämie neu diagnostiziert wurde, können mit Hilfe dieser Methode, die als Polymerase-Kettenreaktion (polymerase chain reaction, PCR) bezeichnet wird, Veränderungen in den Genen aufgedeckt werden.
Die Molekulargenetik bietet außerdem eine Möglichkeit, den Erkrankungsverlauf zu verfolgen. Das Prinzip basiert darauf, dass die Leukämiezellen bei jedem Patienten einzigartige Veränderungen aufweisen. Damit wird es möglich, Leukämiezellen auch dann noch genau zu identifizieren, wenn sie nach Therapiebeginn unter dem Mikroskop nicht mehr nachweisbar sind. Durch die Bestimmung dieser so genannten minimalen Resterkrankung (minimal residual disease, MRD) kann festgestellt werden, ob die Leukämiezellen vollständig zerstört wurden. Während man in der mikroskopischen Untersuchung des Knochenmarks einen Anteil von weniger als 5 % Leukämiezellen nicht mehr nachweisen kann, gelingt es mit Hilfe der Messung der minimalen Resterkrankung, bis zu 0,01 % Leukämiezellen nachzuweisen.
Erstellt von: Hehn (Informationszentrum) am 25.07.2014, letzte Änderung: 13.05.2015