Abbildung 1: Genetische Klassifikation der T-ALL. CBA: Chromosomenbandenanalyse, F: FISH-Analyse, M: Molekulargenetik, WGS: Whole genome sequencing, WTS: Whole transcriptome sequencing
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Genetische Klassifikation der T-ALL mit Hilfe von Standarddiagnosetechniken ergänzt durch Ganz-Genomsequenzierung
Autor: Janine Müller, MLL Münchner Leukämielabor
Originalarbeit
How T-lymphoblastic leukemia can be classified based on genetics using standard diagnostic techniques enhanced by whole genome sequencing
Müller J, Walter W, Haferlach C, Müller H, Fuhrmann I, Müller ML, Ruge H, Meggendorfer M, Kern W, Haferlach T, Stengel A
Leukemia. 2022 Nov 5.
doi: 10.1038/s41375-022-01743-6. PMID: 36335263
Mit der Einführung der 5. Auflage der WHO-Klassifikation hat die Zahl der genetisch definierten Entitäten bei myeloischen Neoplasien und BCP-ALL erheblich zugenommen. Für die T-Zell akute lymphatische Leukämie (T-ALL) wurden jedoch keine genetischen Subgruppen eingeführt, da die genetische Gruppenzuordnung nach wie vor komplex ist und die Reproduzierbarkeit zwischen den Studien variiert. Für einen ersten Schritt in Richtung personalisierter Medizin ist jedoch eine eindeutige Klassifizierung auf Grundlage von Biomarkern, die mit diagnostischen Routineverfahren ermittelt werden können, unerlässlich.
Daher haben wir 131 T-ALL Fälle mittels Chromosomenbandenanalyse (CBA) und Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) analysiert (Müller et al., 2022). Zusätzlich wurden WGS und WTS Analysen durchgeführt. Mit Hilfe der CBA, 6 kommerziell verfügbaren FISH-Sonden für TRAD, TRB, TLX1, TLX3, NUP98 und HOXA9/10 sowie RT-PCRs zum Nachweis von STIL::TAL1, SET::NUP214 und PICALM::MLLT10 konnten bereits 46% der T-ALL Fälle in neun genetische Subgruppen klassifiziert werden: TLX1 n=22, TLX3 n=10, TAL1 n=4, HOXA9/10 n=4, SET::NUP214 n=7, MLLT10 n=4, NUP98 n=3, MYB n=2 und seltene Fusionen (LEF1-, LMO2- und NKX2-3-Rearrangements) n=4 (Abb.1). Zum Nachweis des BCL11B::TLX3-Rearrangements bzw. zur Identifizierung der SET::NUP214 und STIL::TAL1 Fusion sind aufgrund der kryptischen Natur in der CBA eine FISH-Analyse bzw. eine molekulargenetische Analyse erforderlich. Als Nächstes untersuchten wir, ob WGS-Daten relevante Informationen für die Klassifizierung liefern können. In 13 Fällen, in denen entweder kein Material für FISH zur Verfügung stand (n=4) oder keine FISH-Sonden bzw. RT-PCR für den Nachweis der jeweiligen Aberration verfügbar waren, konnten mittels WGS spezifische Rearrangements detektiert werden (n=9, CCDC26::TLX3, DDX3X::MLLT10, XPO1::MLLT10, TRB::MYB, TRB::NOTCH1; MYB-Enhancer-Mutation). Außerdem wurden 10 Fälle der kürzlich beschriebenen Subgruppe der BCL11B-Rearrangements zugeordnet (CCDC26::BCL11B (n=2), ARID1B::BCL11B (n=2), SATB1::BCL11B (n=1) oder BCL11B-Enhancer-Amplifikation (n=5)). BCL11B-Rearrangements werden sowohl bei T-ALL, MPAL und undifferenzierten AMLs beschrieben. Da BCL11B-Rearrangements größtenteils zytogenetisch kryptisch sind, wäre die Einführung einer BCL11B Break-Apart FISH Sonde in die Routinediagnostik erforderlich, um T-ALLs aus der neuen WHO Entität „Acute leukaemia of ambiguous lineage with BCL11B-Rearrangement“ zu identifizieren. Auf Grundlage der WGS-Daten konnten somit 83/131 Fälle (63 %) einer spezifischen genetischen Subgruppe zugeordnet werden, und nur 37 % der Fälle wurden als "not otherwise specified (NOS)" bezeichnet. Die Mehrheit unserer Fälle, die der NOS-Gruppe zugeordnet wurden, zeigten ein spezifisches Genexpressionsprofil mit Überexpression der Gene LYL1 und LMO2 (27/48 Fälle, 60 %). Darüber hinaus identifizierten wir sieben Fälle mit einem ausgeprägten Genexpressionsmuster (GEM), das durch eine hohe Expression von KCNG3, PTPRK und SCRN1 sowie eine geringe Expression von ERG, HOXA10, P2RY1, TTC28, ZBTB8A und ZNF618 gekennzeichnet war.
Zusammenfassend zeigt sich, dass die CBA, ergänzt durch ein FISH-Panel mit sechs Sonden und ein RT-PCR-Screening auf STIL::TAL1, PICALM::MLLT10 und SET::NUP214, eine Klassifizierung von 46 % der T-ALL in verschiedene genetisch definierte Entitäten ermöglicht. WGS und WTS konnten dazu beitragen, die Klassifizierung weiter zu verfeinern und weitere 37 % in verschiedene genetische Untergruppen einzuordnen. Da es sich bei WGS und WTS noch nicht um Standarddiagnosetechniken handelt, sind wir der Meinung, dass ein erster Schritt in Richtung einer genetischen Klassifizierung in der Routine auf der Grundlage allgemein verfügbarer Techniken erfolgen sollte. In einem zweiten Schritt können nicht klassifizierte Fälle durch neuere Methoden aufgeklärt werden.
Erstellt von: Wolkenfeld (Informationszentrum) am 26.03.2018, letzte Änderung: 08.12.2022