Die AMLSG Biology and Outcome Studie

Plattform für zeitnahe genetische Diagnostik mit integrierter Empfehlung für Genotyp-adaptierte Studienkonzepte und individualisierte Routinebehandlung

Autoren: Richard F. Schlenk, Konstanze Döhner für die Deutsch-Österreichische AML Studiengruppe (AMLSG); Universitätsklinikum Ulm.

Basierend auf der WHO-2008 Klassifikation von Tumoren des hämatologischen und lymphatischen Gewebes können mehr als 70 % der Fälle mit akuter myeloischer Leukämie (AML) entsprechend der zugrundeliegenden genetischen Veränderungen kategorisiert werden. Zunehmend wird diese Information zur Therapie-Individualisierung in klinischen Studien aber auch in der Routineversorgung genutzt.

Rekrutierung_300.jpg

Abbildung 1: AMLSG BiO Rekrutierung.

Im Rahmen der Deutsch-Österreichischen AML Studiengruppe (AMLSG) nehmen mehr als 60 große Kliniken an der AMLSG-BiO Studie teil (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT00151242). In den teilnehmenden Zentren werden alle neu-diagnostizierten Patienten mit AML nach erfolgter Einwilligungserklärung internetbasiert registriert. Der Datenschutz wird in diesem System durch die Einbeziehung einer trusted-third-party, eines Datentreuhänders, entsprechend den Empfehlungen der Telematik-Plattform medizinischer Forschungsnetze gewährleistet. Die molekulargenetischen Analysen werden zentralisiert in zwei Referenzlaboratorien (Ulm, Hannover) sehr zeitnah (48 Stunden) durchgeführt. Darüber hinaus erfolgen in den Referenzlaboratorien zytogenetisch, durchflusszytometrisch und morphologische Analysen. Das molekulare Profil der AML und die daraus folgende Genotyp-adaptierte Therapieempfehlung inklusive in Frage kommender klinischer Therapiestudien wird webbasiert dokumentiert und direkt per Fax an die Zentren kommuniziert. Der klinische Verlauf und weitere zentral durchgeführte Laboranalysen, wie beispielsweise minimale Resterkrankung (MRD), werden ebenfalls im Rahmen der Studie erfasst.

Entitaeten_300.jpg

Abbildung 2: Verteilung der genetisch definierten WHO-2008 AML Entitäten in der AMLSG-BiO Studie.

Für die erste Analyse wurden Daten von 3101 Patienten in der AMLSG-BiO Studie, die zwischen Oktober 2010 und März 2014 registriert wurden, herangezogen. Die Anzahl der registrierten/analysierten Patienten hat über die Jahre stetig zugenommen (Abb. 1) mit seit 2013 stabilen Werten von etwa 1200 neu diagnostizierten Patienten pro Jahr. Das mediane Alter der Patienten lag in der untersuchten Kohorte bei 65 Jahren (Spannbreite 18-92 Jahre). Die Subgruppen gemäß WHO-2008 Klassifikation sind in Abbildung 2 dargestellt, wobei die AML mit Nucleophosmin-1 (NPM1) Mutation die größte genetisch definierte Entität umfasst. Betrachtet man die Verteilung der genetisch definierten WHO-2008 AML-Entitäten in verschieden Altersgruppen, dann zeigt sich eine deutliche prozentuale Abnahme der AMLs mit balancierten Translokationen [wie t(8;21), inv(16), t(15;17), t(9;11), t(var;11q23,var), inv(3)/t(3;3), t(6;9)], eine Zunahme der AMLs mit MDS-assoziierten zytogenetischen Veränderungen und ein nahezu konstanter Anteil von AMLs mit NPM1-Mutation (Abb. 3) bei zunehmendem Alter.

Altersabhaengigkeit_300.jpg

Abbildung 3: Verteilung der genetisch definierten WHO-2008 AML Entitäten in der AMLSG-BiO Studie entsprechend Alter bei Erstdiagnose.

Die scheinbar prozentuale Gleichverteilung über verschiedene Altersgruppen der AMLs mit CEBPA-Mutationen ist der altersabhängigen unterschiedlichen Verteilung von mono- und biallelischen Mutationen geschuldet mit deutlicher prozentualer Zunahme mono-allelischer Mutationen mit zunehmendem Alter.

Insgesamt wurden n = 832 Patienten (27 %) in klinische Studien eingeschlossen. Dabei waren signifikante Faktoren, die mit einem Studieneinschluss assoziiert waren, mutiertes NPM1 (odds ratio (OR) = 4,06; p < 0,0001), FLT3-ITD (OR = 1,46; p = 0,002), wogegen höheres Alter (OR für 10-Jahres-Altersdifferenz = 0,86; p < 0,0001) und FLT3-TKD (OR = 0,65; p = 0,04) weniger häufig mit einem Studieneinschluss assoziiert waren. Allerdings muss man einschränkend bemerken, dass nicht alle Studien für alle Genotypen durchgängig verfügbar waren und somit systematisch vor allem Patienten mit AML und mutiertem NPM1 bei meist offenen Studien für diesen AML-Subtyp eine höhere Wahrscheinlichkeit hatten, in eine Studie aufgenommen zu werden.

Insgesamt war die Teilnahme an einer klinischen Therapiestudie ein unabhängiger günstiger prognostischer Faktor (hazard ratio (HR) = 0,75; p = 0,0005) in einem für Alter, Performance-Status und Risikogruppe definiert gemäß den Empfehlungen des European LeukemiaNet (ELN) adjustierten Cox-Regressionsmodells. Die Einteilung nach ELN-Risikogruppe war mit einer hohen prognostischen Wertigkeit assoziiert unabhängig davon, ob Patienten in klinischen Therapiestudien behandelt wurden oder nicht.

Zusammenfassend nehmen derzeit bei einer angenommenen Inzidenz der AML in der Bundesrepublik Deutschland von 3-4/100.000 Einwohner ca. ein Drittel aller erwarteten neu diagnostizierten Patienten an der AMLSG-BiO Studie teil. Die schnellen zyto- und molekulargenetischen Analysen haben zu einer hohen Akzeptanz der Studie und einem direkten klinischen Nutzen für die Patienten geführt. Insbesondere die Darstellung möglicher passender Therapiestudienkonzepte auf der Befundrückmeldung zum genetischen Profil der AML innerhalb von 48 Stunden erleichtert und unterstützt die Studienrekrutierung.

Erstellt von: Hehn (Informationszentrum) am 31.07.2015, letzte Änderung: 03.08.2015